Film & Medienbuero Niedersachsen

Rundbrief


BERICHT ÜBER EINE ARBEIT: MOTIVRECHERCHE

Bei der Recherche für einen kanadischen Dokumentarfilm suchte ich Rat im Film & Medienbüro Niedersachsen in Hannover. Bei der Gelegenheit erfuhr ich von Henning Kunze, dass für die ›Jahrestage‹ geeignete Locations gesucht würden. Ich habe bei der Produktion angerufen und bekam ein paar Drehbuchauszüge gefaxt, eine Fotomontage von Gebäuden und Landschaft - und zunächst zwei Tage Zeit.

Die niedersächsische Filmförderung unterstützt die ›Jahrestage‹ mit 1,8 Mio. DM - und so muss und soll dieses Geld auch hier im Land wieder ausgegeben werden. Finden wir hier so schöne Drehorte für diese Geschichte wie in Mecklenburg, wo ein Großteil der literarischen Vorlage spielt?

Ich erstelle eine Liste:

-Ein Herrenhaus soll es sein, eine Villa, höchstens zweigeschossig, kein Schloss und nicht zu protzig: der Ziegeleibesitzer wohnt hier. Das Gebäude darf nicht frisch renoviert sein; gleich nach dem Krieg wird die russische Kommandantur einziehen. - Nebenan in einem bestimmten Winkel dazu steht das eingeschossige Wohnhaus des Schreinermeisters. Aus dem Fenster des einen Hauses kann man jeweils beobachten, was sich nebenan tut. Die Kamera muss vom Vorplatz aus zwischen beiden Häusern hin- und herschwenken können.

-Ein Weg führt durch das Gelände hindurch; er verläuft idealerweise zwischen den beiden Gebäuden.

-Ein paar Bäume stehen zwischen den Häusern, groß genug, um (unbemerkt) darin herumklettern zu können. - Urwüchsiges, flaches weites Land bildet die Umgebung; keine Stadt, keine Industrie, keine Strommasten, keine Windräder; keine Mauer umgibt das Anwesen und begrenzt den Blick.

-Die Zeit? 1931 bis 1956.

Ich hatte Glück, weil ich auf sehr viele Leute traf, die mir gern geholfen haben. Der hiesige Bürgermeister zum Beispiel erkannte sofort die Bedeutung eines solchen Filmes für die Stadt und begleitete mich zu den Gutshöfen der Umgebung. Das hatte mehr als einen praktischen Vorteil: wer ungefragt auf den alteingesessenen niedersächsischen Gutshöfen herumspaziert und Fotos macht, der kann schon mal für eine Vorhut der russischen Mafia gehalten werden: ›Ihr Autokennzeichen ist schon notiert.‹ - Nicht eben das optimale Entree, wenn man später die generelle Drehbereitschaft erfragen und vorklären will, wieviel Spielraum die Eigner dem Filmteam für ihre Arbeit zugestehen würden.

Wider Erwarten bin ich an der Grenze zu Mecklenburg-Vorpommern nicht fündig geworden. Die Gebäude waren zu sehr heruntergekommen oder zu frisch renoviert, die Nebengebäude fehlten. So habe ich schließlich im ganzen Land gesucht und etwa 70 Objekte angesehen. Manchmal war der Jubel verfrüht, weil ich das Fehlen eines wichtigen Details zunächst übersehen hatte.

Der Szenenbildner des Filmes (Heike Bauersfeld) trifft später eine Vorauswahl nach den Fotos und sieht sich diese Objekte an. Dann verhandelt die Produktion, ehe Regie und Kamera vor Ort entscheiden.

Klaus W. Becker, Wort und Bild,
Fon 05105/514193, KWBecker@aol.com

P. S.: Auf einem der Höfe bin ich später gefragt worden, warum ich bei meiner Suche nicht gleich Verträge mit den Gutsbesitzern abgeschlossen hätte, die mir bei einer erfolgreichen Vermittlung eine Provision garantierten: ›10 % auf die gezahlte Gesamtsumme - zum Beispiel‹.


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Osnabrück-Net Letzte Änderung: 6.10.1999