Film & Medienbuero Niedersachsen

Rundbrief


Margarete von Trotta verfilmt ›Jahrestage‹

Fast 10 Jahre hat es gedauert, nun ist es endlich soweit: Uwe Johnsons vierbändiger Roman ›Jahrestage‹, 1970-1983 erschienen, 2000 Seiten stark, wird verfilmt.

Sehr früh schon hatte Martin Wiebel im WDR die Idee, aber da litten die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten gerade unter der ebenso ungerechtfertigten wie heftigen Medienschelte für Edgar Reiz ›Zweite Heimat‹.

Ambitionierte Großprojekte waren plötzlich nicht mehr realisierbar. Viel Wasser floss den Rhein hinab, bis Wolfgang Tumler, Geschäftsführer der der Evangelischen Kirche nahestehenden Filmproduktion Eikon, die Idee aufgriff und beim WDR unverändert offene Ohren fand. Peter Steinbach und Christoph Busch haben aus Johnsons Vorlage (und Teilen seiner ›Mutmaßungen über Jakob‹) ein 500-seitiges Drehbuch entwickelt.

Viel Geld war nötig und so sind WDR, NDR, BR, ORB, ORF, die Filmförderung aus Mitteln des NDR in Niedersachsen sowie die Filmstiftung NRW mit an Bord; Arte ist nicht dabei.

In einer spektakulären Aktion entschloß sich die Produktion im August 1998, etwa drei Wochen vor Drehbeginn, Frank Beyer die Regie zu entziehen - ›eine Vollbremsung‹. Noch immer gibt es keine offizielle Stellungnahme zu den Ursachen und es ist schon erstaunlich, wer sich da produktionsseitig alles in Schweigen hüllt oder angeblich von gar nichts weiß. Das hat natürlich gute Gründe und diese Geschichte soll ein andermal erzählt werden, wenn die Beteiligten sich freier fühlen.

Zehn Monate gingen ins Land - Suche und Abwicklung - bis mit dem Dreh im Juli 1999 in New York tatsächlich begonnen wurde. Die Freiheitsstatue ist das erste Bild des Filmes, in dem Gesine Cresspahl ihrer 10-jährigen Tochter die Zeit- und Familiengeschichte von 1931 bis 1968 offenbart.

Knapp über 100 Drehtage sind vorgesehen (24 davon in Niedersachsen), die Besetzungsliste weist etwa ebenso viele Sprechrollen auf und bis zu 200

Komparsen spielen mit. Margarete von Trotta führt Regie - Kamera: Franz Rath - und es ist eine Freude, Ihnen und der Crew bei der Arbeit zuzusehen. Unter der Last dieser Großproduktion - Eikon nennt jetzt 15 Millionen DM, es gab aber auch schon die Zahlen 16 und 20 Millionen - wirkt Margarete von Trotta nachgerade entspannt. ›Du weißt doch, dass ich alles sehe.‹, antwortet sie einem Schauspieler, der sich wundert, dass sie ein Detail wahrgenommen hatte - und das scheint auch wirklich zu stimmen. Sucht jemand ihren Rat oder ihre Zeit - Leute aus dem Stab, Journalisten, Darsteller -, so gewinnt man den Eindruck, als hätte sie Aufmerksamkeit nur für diesen Menschen und sein Problem.

Franz Rath spielt gern vor, erzählt nebenbei wunderbare Geschichten, auch er lacht viel: so lässt sich arbeiten. Das Team ist hochmotiviert und es sind sehr viele gute Leute dabei.

Die Produktionsfirma des Mehrteilers ›Der Laden‹ nach Erwin Strittmatter war, so hört man, in finanzielle Schwierigkeiten geraten und auch dies mag ein Grund sein, warum man bei Eikon so sehr genau rechnet - und gerne auch schon einmal zusammenstreicht; nicht ohne die künstlerische Seite zu überraschen. Dass dies der Motivation im Team bisher keinen Abbruch getan hat, ist wesentlich der Gelassenheit von Regie und Kamera zu verdanken. ›Wer genau hinsieht, wird in New York auch einmal ein neueres Auto hinten durchs Bild fahren sehen‹, sagt Margarete von Trotta, ›- wir konnten die Stadt ja nicht komplett auf unsere Bedürfnisse umbauen. Aber wir werden in diesem Fall die Nachsicht der Zuschauer finden.‹

Die Filmförderung aus Mitteln des NDR in Niedersachsen und die Filmstiftung NRW bestimmen, wo ein Großteil des Geldes ausgegeben wird. So liegt Mecklenburg-Vorpommern meist neben Hannover oder neben und in Köln. Unerwartet auch die sehr starke Repräsentanz von Schauspielern aus NRW. Irgendwelche Klagen? Nein, wieso denn? Die Crew konzentriert sich darauf, einen ausgezeichneten Film zu machen. Das wird ihr auch gelingen.

Mit schöner Genauigkeit wird gearbeitet und mit großer Sorgfalt, mit Intuition und Routine und mit stilistischer Sicherheit. Anregungen sind fast immer willkommen; was gut ist, findet auch seinen Platz.

Gedreht wird bis zum Januar 2000, im November diesen Jahres ist ein Gut in Eckerde noch einmal auf dem Plan. Wir alle können uns freuen auf vier mal 90 Minuten, im Spätherbst nächsten Jahres in der ARD.

Klaus W. Becker


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Osnabrück-Net Letzte Änderung: 6.10.1999