Zum Abschied

Gerhard Büttenbender nimmt Abschied von der HBK
   
"Kein Professor, kein Status, kein Lametta."
Nach 31 Jahren nimmt der HBK-Lehrer Büttenbender Abschied von Braunschweig - und Europa

Gerhard Büttenbender ist Sozialist. 1970 wohnt er in einem besetzten Haus in Kassel. Die 68er-Zeit, auch eine Zeit der radikalen Infragestellung der Kunst: Malerei ist reaktionär! Künstler sind Hofnarren der Gesellschaft! Raus aus den Ateliers, die Werktätigen bewegen, mit einem Massenmedium, dem Film! "Durch die Revolution kam ich zum Film", sagt Büttenbender heute.

August 2003. Zwei Autostunden südlich von Bangkok sitzt ein älterer Herr allein auf seiner Veranda und genießt seinen Ruhestand. Er hat in einem kleinen Dorf ein Häuschen am Meer gemietet. Es ist der emeritierte HBK-Professor Gerhard Büttenbender. Auf dem Weg von Kassel nach Thailand ist einiges passiert.
Er hat Kino- und Fernsehfilme gedreht, bekam 1970 den "Großen Preis der Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen", gründete 1972 die Filmklasse der HBK, zum ersten Mal wurde Film als Kunst an einer Hochschule etabliert. Im gleichen Jahr holte ihn Harald Szeemann zur documenta 5, Büttenbender wählte dort das erste Filmprogramm aus. 1978 wurde er Rektor der HBK. Seine Studenten sind inzwischen Professoren (Uli Plank) oder international bekannte Videokünstler (ein Star unter vielen: Björn Melhus).

Buddhistische Gelassenheit
Preise, Auszeichnungen, Kommissionen, Jurys, Vorlesungen und Seminare von Manila bis Tel Aviv - einer der ganz Großen verlässt nach dem Sommersemester 2003 die HBK. Fällt der Abschied schwer? "Nein", sagt Büttenbender entschieden, "31 Jahre sind genug. Ich bin froh, jetzt aufzuhören, mit klarem Kopf und gesunden Beinen."
Der 64-Jährige sitzt in seinem Atelier, einem der schönsten der HBK: Sonnendurchflutet, große Fenster, mitten im Raum führt eine Wendeltreppe zu einem offenen zweiten Geschoss. Er zündet ein Räucherstäbchen an. Es gibt Tee aus feinem chinesischem Porzellan. An der Wand hängt das Foto eines buddhistischen Abts. Seit zehn Jahren verbringt Büttenbender jede freie Minute in Thailand. Er schwärmt von den friedvollen Menschen und ihrer Gelassenheit. Geduld und Toleranz habe er dort gelernt, und dort will er auch seinen Lebensabend verbringen. "Da bin ich nichts und alles, einfach Mensch, ganz und gar. Kein Professor, kein Status, kein Lametta, nur ein geduldeter Mensch."

Seine Autorität als Lehrer hatte nie mit seinem Titel zu tun: "Früher war ich der Kumpel, heute der väterliche Freund". Er sah sich als Dienstleister, "der das Licht an- und ausmacht und technisches Gerät bereitstellt". Das klingt recht bescheiden und man glaubt es ihm, aber natürlich war er für die Studenten sehr viel mehr und man merkt es, wenn Büttenbender so liebevoll wie kaum ein anderer von seinen "akademischen Lehrlingen" spricht, von denen er so viel gehabt habe und für die er immer einen Schutzraum für "uneffektive Verrücktheiten" schaffen wollte. "Künstlerische Äußerungen sind tastende Schritte, Zeugnisse auf dem Weg zu sich selbst. Ich wollte nie Kunst lehren, sondern für junge Künstler ein menschenfreundliches Energiefeld aufbauen, in dem ihre Fähigkeiten geweckt und aktiviert werden."

Sozialistische Empörung
Behutsam nach innen, streitbar nach außen - Büttenbender gerät in Rage, wenn es um Hochschulpolitik geht, schimpft über Dezimierung demokratischer Rechte und die nivellierende Globalisierung. Seine Horrorvision: "Gleichgeschaltete Kunsthochschulen werden nach den Gesetzen des Marktes wie Wirtschaftsunternehmen geführt" und produzieren nur noch isolierte, marktkonforme Konkurrenten. Kämpferisch wie eh und je formulierte er diese Empörung auch bei seinem letzten großen Auftritt, dem Festvortrag "40 Jahre HBK" im Mai. Sprach vor den versammelten Honoratioren vom Turbo-Kapitalismus und der nationalsozialistischen Vergangenheit des ersten HBK-Rektors Wollermann.
Es geht - manchmal - also doch: Über 30 Jahre im Staatsdienst und trotzdem unangepasst bleiben, sich nicht verbiegen lassen. Gerhard Büttenbender ist immer noch Sozialist.

(Michael Kaiser)
(Erschienen in der Braunschweiger Zeitung am 05.07.2003.
Nachdruck mit freundlicher Genehmigung des Autors und des Verlages.)


 

Gerhard Büttenbender und Birgit Hein (Archivfoto FMB)

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