Fernsehen

Welche Programme wollen die TV-Sender?
   
Im Rahmen des nordmedia screenforum 03 in Bremen gab es neben dem umfangreichen Programm mit geförderten Filmen auch Informationsveranstaltungen. Redakteure und Redakteurinnen der fördermittelgebenden Sender der nordmedia Fonds stellten Redaktionen und Programmanforderungen vor.

Dokumentarisches im TV
Der Bereich Feature, Dokumentationen und Dokumentarfilm wurde durch Alexander von Sallwitz (NDR) und Rolf B. Tiesler (Radio Bremen) präsentiert.
Beim NDR Fernsehen und in der ARD gibt es eine Vielzahl von Programmplätzen für unterschiedliche Beiträge: Sehr beliebt ist nach wie vor der Sendepatz für Tierfilme und das Magazin ›Länder, Menschen, Abenteuer‹. Mit ›Prisma‹, ›Mare TV‹, ›Maritim‹ ›Dokzeit‹ und ›Kompass‹ nannte von Sallwitz weitere Sendeplätze. Aktuelle Einzelstücke kämen mittwochs um 23 Uhr und in unregelmäßigen Abständen gäbe es montags um 0 Uhr einen 90 Minuten-Platz für ›Der große Dokumentarfilm‹. Die anderen Sendeplätze haben unterschiedliche Längen von 30 über 45 bis zu 60 Minuten, letztere würden derzeit beim NDR wieder häufiger eingeplant. Die 10 bis 15 Neuproduktionen des NDR im Jahr erreichten durchschnittlich 0,5 bis 0,8 Mio. Zuschauer. Zum ARD-Programm liefert der NDR rund 16 % zu. Bei Produktionen für arte findet die Abstimmung in der arte-Redaktion in Straßburg statt. Hier ist grundsätzlich alles möglich, vom Einzelstück bis zu Beiträgen zu Themenabenden.

Für Radio Bremen wies Rolf B. Tiesler zunächst auf die enormen Einsparungen der letzten Jahre hin, die sich auch auf die Arbeit und die Möglichkeiten der Redaktionen ausgewirkt hätten. So sei beispielsweise in der Redaktion ›Kultur und Gesellschaft‹ von den vier Redakteuren nur noch einer übrig geblieben. Entsprechend seiner ›Größe‹ liefert Radio Bremen im dokumentarischen Bereich rund 2,5 % an die ARD, dies entspricht ca. 60 Minuten im Jahr. Im Zuge von Kooperationen konnte Radio Bremen allerdings 2002 vier Beiträge á 45 Minuten und einen Beitrag á 90 Minuten beisteuern.
Ein Markenzeichen von Radio Bremen war die Reihe ›Unter deutschen Dächern‹ mit acht Sendeplätzen pro Jahr in der ARD. Diese Reportagen zeichneten sich durch ›optischen Genuss und subjektive Autorenhaltung‹ aus, so Tiesler.

Für arte liefert Radio Bremen non fiction für Themenabende, z. B. über die Hanse. 2004 könne Radio Bremen zwei Themenabende gestalten. Für das NDR-Fernsehen steuert der kleine Sender wöchentlich eine 60-Minuten-Reportage bei.
Zusammenfassend stellten beide Redakteure fest, dass alle Sendungen einer strengen Einschaltquotenpolitik unterliegen. Jeder Autor solle sich deshalb fragen, ob das Thema interessant sei und für wen, für ein Mehrheiten- oder ein MinderheitenProgramm. Dann sei das Format sowie die Frage nach Einzelstück oder Reihe zu klären. Der Trend gehe eindeutig hin zu Reihen oder Serien, da Einzelstücke im Programm leichter übersehen werden und auch nicht so beworben werden können wie beispielsweise ›Die großen Kriminalfälle‹ oder ›Schwarzwaldhaus 1902‹.

 

Rolf B. Tiesler (Radio Bremen) und Alexander von Sallwitz (NDR).
Foto: Karl Maier




Doris J. Heinze und Henning Kunze (nordmedia-Fonds).
Foto: nordmedia




Ralf Rückauer
Foto: nordmedia
Die anschließende Diskussion kreiste um ›die Quote‹ sowie Sendeplätze für Minderheitenprogramme und offene Programmformen. Alexander von Sallwitz stellte aus Sicht des NDR klar: ›Quote, das sind Menschen, die ein Programm sehen‹. Es werde keinen prominenten Sendeplatz für Filme geben, die nur ein Minderheitenpublikum ansprechen. Für sogenannte ›offene‹ Filme sei der Montag um 0 Uhr vorgesehen. Auch für diese Filme gelte, dass sie wiederholbar sein müssten, auch in anderen Sendern der ARD.
Auf Einwände von Autoren, ihre formalen Vorstellungen würden häufig von den TV-Redakteuren abgelehnt, hieß es von den Sendervertretern, die Form sei für den Zuschauer auch nicht so wichtig wie das Thema, sei das interessant, dann bleibe man auch dran. Im übrigen würde in Gesprächen zwischen Redaktionen und Autoren besprochen, ob die Form verändert werden könne.
Interessante Möglichkeiten bieten sich für Rolf B. Tiesler durch die langen Themennächte im NDR Fernsehen. Die Moornacht beispielsweise habe einen großen Erfolg verbuchen können.

Fernsehfilme
Über die Arbeit der Fernsehspiel-Redaktionen informierten Doris J. Heinze, Leiterin der Abteilung Fernsehfilm, Kino und Theater des NDR, und Annette Strelow aus der Abteilung Fernsehfilm von Radio Bremen. Frau Heinze betonte, der NDR habe als einziger ARD-Sender sein fiktionales Programm ausgebaut und engagiere sich auch wieder etwas stärker im Bereich
Kino-Koproduktion, z. B. bei ›Baltic Storm‹. Für Debütfilme ist der Sonntag um 23.30 Uhr vorgesehen. Hier seien auch mehr Freiheiten möglich als auf früheren Sendeplätzen. Insgesamt liefert der NDR jährlich 18 TV-Filme für das ARD-Programm. Nur für das NDR-Fernsehen sei ein TV-Film schon aus Kostengründen nicht zu realisieren.
Ohne die nordmedia könne Radio Bremen überhaupt keine TV-Filme mehr realisieren, so die Aussage von Annette Strelow. Wichtig sei, das in Bremen vorhandene know how zu nutzen und einzusetzen.

Quantum - Das TV-Labor
Ralf Rückauer von der Redaktion Quantum im Kleinen Fernsehspiel des ZDF gab einen erfrischenden Einblick in das Labor für Formatentwicklungen für ZDF und 3sat. Die Redaktion, die aus KollegInnen verschiedener Abteilungen besteht und sich alle sechs bis acht Wochen trifft, ist offen für neue Formen und sucht Innovationen in technischer, formaler und inhaltlicher Hinsicht. Alles ist denkbar, vom fünf Minuten Dokufilm bis zum zwei Stunden-Nachtprogramm. Rückauer stellte als Beispiele u. a. das Webcam-Projekt und ›Blind Date‹, die kürzlich mit dem Grimme-Preis ausgezeichnete Serie mit Anke Engelke und Olli Dittrich, vor.
Quantum kann jährlich zwei bis drei Projekte realisieren, diese werden aus rund 200 Vorschlägen ausgewählt. Die Etats seien nicht so hoch wie bei 3sat und richteten sich nach dem Programmplatz.
Bisher sind nach Aussage von Ralf Rückauer noch keine Projekte aus dem Umfeld der nordmedia-Förderung eingereicht worden.
Abschließend ging Rückauer noch kurz auf das Kleine Fernsehspiel des ZDF ein und verwies auf das 40-jährige Jubiläum dieses wichtigen Forums für den Aufbau von Talenten. Jährlich werden 26 Neuproduktionen realisiert, quer durch alle Genres und ohne festes Längenkorsett. Prinzipiell könne man als Nachwuchstalent beim Kleinen Fernsehspiel maximal drei Filme machen.
(Karl Maier)



Die Realität heute sieht anders aus
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FORMATT-Studie: Fernsehproduktionsvolumen 1998-2000
Die Medienkrise lässt die Ergebnisse der kürzlich vorgestellten FORMATT-Studie: Fernsehproduktionsvolumen 1998 bis 2000 heute beinahe wie ein Rückblick ins Paradies erscheinen. Ulrich Pätzold (Institut für Journalistik, Universität Dortmund) und Horst Röper (Geschäftsführer des FORMATT-Instituts, Dortmund) machen in ihrer fortgeschriebenen FORMATT-Studie über Konzentration und regionale Schwerpunkte der Auftragsproduktionsbranche die Jahre 1998 bis 2000 als Boomjahre der Branche aus. Die gegenwärtig so kritische Lage des Produzentenmarktes ist in der Studie noch nicht erkennbar.
›Mit einem Gesamtvolumen von rund 740.000 Minuten Produktionszeit dürfte die TV-Produktionsbranche im Jahr 2000 ihren vorläufigen Scheitelpunkt erreicht haben. Mit dem enormen Wachstum von 12,5 Prozent in den vorhergegangenen Jahren war zugleich die Zahl der rechtlich eigenständigen Produktionsfirmen stark gestiegen. Der lang anhaltenden Gründungswelle stand als zweites strukturprägendes Element der Branche eine ausgeprägte Konzentrationsentwicklung gegenüber. Dominierendes Unternehmen zum Zeitpunkt der Untersuchung ist die RTL Group, die im Jahr 2000 mit rund 100.000 Programm-Minuten knapp 14 Prozent des gesamten Produktionsvolumens der Branche auf sich vereinen konnte, weit vor der Kirch-Gruppe und dem Springer-Konzern.
Auffällig war die Etablierung der so genannten Sender der zweiten Generation, wie VOX, Kabel 1, RTL II, TM 3 und n-tv. Zum Erfolg dieser Programme trugen einfache und klar strukturierte Formate bei, die wirtschaftlich und professionell am ehesten durch Auftragsproduktionen zu realisieren sind. Das heute kaum noch vorstellbare Wachstum der Auftragsvolumina für die Produktionsbranche um 21 Prozent im Drei-Jahres-Vergleich ist in erster Linie auf diesen Tatbestand zurückzuführen.
Die Produktionsstandorte konzentrieren sich im Wesentlichen auf Bayern, Nordrhein-Westfalen, Hamburg und Berlin. Dabei stand Nordrhein-Westfalen an der Spitze, vor allem in non-fictionalen Bereich. München lag dagegen im Bereich der Kinofilmproduktion vorn.

Abhängige und unabhängige Unternehmen
Als abhängige Produktionsunternehmen gelten den Autoren der Studie zunächst die Tochter- und Beteiligungsunternehmen von Sendern, sofern die Beteiligungshöhe mindestens 25 Prozent beträgt. Zum Zeitpunkt der Studie wird festgestellt, dass unabhängige Produzenten bei der wachsenden Nachfrage nach Fictionproduktionen stärker hinzugewonnen haben. Insgesamt haben die im Sinne der Studie abhängigen Produktionsunternehmen aber im Jahr 2000 immer noch gut zweimal so viel produziert wie die unabhängigen, eine Entwicklung, die nach Ende des Untersuchungszeitraums zweifellos noch zugenommen hat.
So wichtig die Langzeitforschungen der Formatt-Studie sind, so notwendig ist es, gerade in der gegenwärtigen Phase der wirtschaftlichen Krise bei allen Sendern, die konkreten Auswirkungen auf die deutsche Produktionswirtschaft aktuell zu untersuchen. Denn der Zuschauer hat ein Recht auf ein qualitätsvolles Programm. Und die Produzenten brauchen die notwendigen Voraussetzungen, es wie bisher zu liefern.‹
Zitiert aus dem TV-Produzenten Newsletter des Bundesverbandes Deutscher Fernsehproduzenten (Ausgabe 1/03)


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