Filmausschuss der Länder

Positionspapier des Filmausschusses der Länder (FAL)
zur "Stärkung der Unabhängigkeit von Film- und Fernsehproduzenten"

Stand: 31.05.2002

I. Vorbemerkung:

Der Produktion von Inhalten kommt eine Schlüsselstellung in der Medienwirtschaft zu ("content is king"). Eine möglichst starke nationale Programmindustrie liegt aus wirtschaftlichen und kulturellen Gründen im deutschen Interesse. Die Leistungen großer, auch konzerngebundener Produktionsgesellschaften tragen entscheidend zur internationalen Wettbewerbsfähigkeit der nationalen Medienwirtschaft bei. Unverzichtbar sind aber auch kleinere und mittlere Produktionsunternehmen, weil mehr Anbietervielfalt Voraussetzung für hinreichende Angebotsvielfalt ist. Die Sicherung dieser Vielfalt rechtfertigt bzw. fordert geradezu medienpolitische Initiativen. Besonders förderungswürdig erscheinen nach Ansicht des FAL kleine und mittelständische, Konzern ungebundene, also unabhängige Film- und Fernsehproduzenten, weil sie

· die Vielfalt der deutschen Medienlandschaft in besonderer Weise verkörpern,
· ein großes kreatives und innovatives Potential haben,
· den Wettbewerb auf dem nationalen Programmmarkt beleben und damit
· ein Gegengewicht zu den großen Senderfamilien im Fernsehen bilden.

Zu beachten ist allerdings, dass es eine Vielzahl von Film- und Fernsehproduzenten gibt, die sich tatsächlich in wirtschaftlicher Abhängigkeit von Medienunternehmen befinden, aber gleichwohl einen Anspruch auf Förderung haben sollten, weil damit ihre Unabhängigkeit gestärkt werden kann.

· Der FAL ist daher der Meinung, dass bei einer Positionsbestimmung nicht nur Maßnahmen zur Stärkung der unabhängigen Film- und Fernsehproduzenten sondern allgemein auch zur Stärkung der Unabhängigkeit von Film- und Fernsehproduzenten notwendig und sinnvoll sind.


II. Ausgangssituation:

Bisher gab es kaum grundsätzliche Daten und Fakten zur Struktur und Entwicklung der Film- und Fernsehproduktion in Deutschland. Die bislang vorgelegten Erhebungen und Gutachten spiegeln häufig spezifische Interessen der jeweiligen Auftraggeber wieder. Verhältnismäßig aktuelle Daten und Einschätzungen bieten die internationale Studie "Eurofiction 2000" (vgl. Media Perspektiven 10/2001) und die von der Unternehmensberatung HMR International im Februar 2001 vorgelegte Studie "Fernsehmarkt Deutschland: Strukturen der TV-Produktion".

Noch aktuellere Zahlen und Einschätzungen werden von zwei Studien erwartet, die voraussichtlich im Frühsommer 2002 veröffentlicht werden: Es handelt sich einmal um die von der DLM im September 2001 beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Auftrag gegebene Studie "Film- und Fernsehproduktion in Deutschland 2000/2001" sowie eine weitere Untersuchung des Dortmunder Instituts Formatt im Auftrag der nordrhein-westfälischen Landesregierung zum "Fernseh- und Filmproduktionsmarkt Deutschland". Beide Studien sollen u.a. Auskunft über die gegenwärtigen wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen Filmwirtschaft und TV-Veranstaltern geben.

Dem FAL sind erste Ergebnisse der Formatt-Studie vorgestellt worden. Danach haben die abhängigen Produktionsunternehmen, die etwa 30 % der Unternehmen repräsentieren, in den Jahren 1998 bis 2000 durchschnittlich deutlich mehr als 50 % der fiktionalen TV-Programme produziert; bei den Serien sind es sogar mehr als 55 %. Lediglich bei den besonders entwicklungsintensiven und risikoträchtigen TV-Movies und Kurzreihen erzielten die unabhängigen Produzenten im Dreijahresdurchschnitt 1998 bis 2000 einen Marktanteil von über 50 % (54 %).
Die enge Verflechtung zwischen den Fernsehsendern und den jeweils eigenen Produktionstochtergesellschaften bei der Vergabe von Produktionsaufträgen dokumentiert folgende Zahl: Die abhängigen Produzenten stellen deutlich mehr als 60 % ihrer gesamten Jahresproduktion im Auftrag ihrer jeweiligen "Muttersender" her. Nur 37 % des Produktionsvolumens der abhängigen Produzenten ging auf Rechnung nicht verflochtener Sender.
Formatt kommt insgesamt zu dem Schluss: "Zumindest in Teilen scheinen hier bei der Auftragsvergabe Marktgesichtspunkte zugunsten von jeweils verflochtenen Produktionsunternehmen ausgeblendet zu werden. Eine Benachteiligung von unabhängigen Unternehmen ist gegeben."
Der Erfassungszeitraum der Formatt-Studie reicht lediglich bis Ende 2000. Formatt weist deshalb darauf hin, dass angesichts der rückläufigen Werbeaufwendungen und des damit einhergehenden Nachfragerückgangs ab 2001 bei den TV-Veranstaltern die Tendenz zur Beauftragung jeweils verflochtener Betriebe noch gestiegen sein dürfte. Die Marktposition der unabhängigen Produzenten würde damit weiter verschlechtert.


Unabhängig davon, dass die beiden aktuellen Studien noch nicht veröffentlicht sind und auch einer intensiveren Prüfung und Auswertung bedürfen, erscheinen nach Ansicht des FAL doch drei Aspekte signifikant und im Wesentlichen unstreitig:

· Die den Markt beherrschenden Medienunternehmen sind bestrebt, geschlossene Wertschöpfungsketten (von der Entwicklung über technische Dienstleistungen und die Vermarktung bis hin zur Verwertung) zu bilden. So entstehen immer umfassendere Konzerne mit komplexen und schwer durchschaubaren Beteiligungsstrukturen, die für Auftragsproduktionen an Dritte immer weniger Raum lassen.

· Soweit Auftragsproduktionen vergeben werden, liegen diesen ganz überwiegend Geschäftsmodelle zugrunde, wonach Produzenten neben den pauschalen Herstellungskosten einen bestimmten Prozentsatz Handlungskosten und darüber hinaus eine Gewinnpauschale erstattet erhalten, dafür aber praktisch alle Rechte abgeben müssen. Die Folge ist, dass den Produzenten eigene Risiken (z. B. Entwicklungskosten und Budgetüberschreitungen), aber kaum verwertbare Rechte verbleiben und somit eine Eigenkapitalbildung auf Dauer in aller Regel verhindert wird.

· Auch bei eigenen Produktionen für das Kino und die Fernsehauswertung machen sich gerade bei kleinen und mittleren Unternehmen strukturelle Schwächen wie eine zu geringe Eigenkapitalausstattung und zu große Abhängigkeiten von Verleih und Vertrieb bzw. Sendern bemerkbar.


Aufgrund dieser Entwicklungstendenzen gibt es schon seit längerer Zeit Bestrebungen, die Position unabhängiger Film- und Fernsehproduzenten zu stärken. Zu erwähnen sind in diesem Zusammenhang beispielsweise die Protokollerklärung aller Länder zu § 8 des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrages und die Verpflichtung zur Einräumung von Drittsendezeiten im Sinne von § 31 des RStV (mit weiteren Verbesserungen im Sechsten Rundfunkänderungsstaatsvertrag). Vorteile für unabhängige Produzenten bringt auch der im Rahmen der Förderung der Filmförderungsanstalt (FFA) erklärte Verzicht der Fernsehveranstalter auf eine Mittelbindung. Schließlich begünstigen in gewissem Umfang auch die bei den Länderförderungen regelmäßig vorgesehenen Regionaleffekte sowie Maßnahmen zur Nachwuchsförderung die "Unabhängigen", weil diese am ehesten entsprechende Kriterien erfüllen. Weitere Vorschläge enthält das im November 2001 vorgestellte filmpolitische Konzept des Beauftragten der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien (BKM).


III. Kriterien für unabhängige Film- und Fernsehproduzenten

Eine Positionsbestimmung zur Stärkung der unabhängigen Film- und Fernsehproduzenten setzt voraus, dass es eine annähernd konkrete Vorstellung davon gibt, was unter "unabhängigen" Film- und Fernsehproduzenten zu verstehen ist. Der FAL stellt fest, dass es bislang keine allgemein verbindliche Definition unabhängiger Film und Fernsehproduzenten gibt. Allerdings finden sich bereichsspezifische Definitionen z.B. für die EU-Förderung aus dem Programm Media Plus. Da das erstrebte Ziel der Stabilisierung und Stärkung der Unabhängigkeit von Produzenten ein vielschichtiges Bündel von Maßnahmen erfordert, ist der FAL der Auffassung, dass bei Förderungen und Privilegierungen jeweils an verschiedene Bestimmungen des Adressatenkreises angeknüpft werden muss.

· Vor diesem Hintergrund hält der FAL eine einzige allgemein gültige Definition nicht für sinnvoll, weist aber auf folgende als maßgeblich anzusehende Kriterien hin:

- Höhe der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung von Fernsehveranstaltern oder von mit ihnen verbundenen Unternehmen (vgl. § 28 Rundfunkstaatsvertrag),

- Qualifizierung als kleines und mittleres Unternehmen (vgl. Verordnung der Kommission vom 12.01.2001),

- Anteil des Umsatzes aus Geschäften mit einem bestimmten Medienunternehmen innerhalb eines bestimmten Zeitraums (z.B. drei Jahre),

- Umfang des Rechtebestands.

Der FAL ist sich bewusst, dass gerade die beiden zuletzt genannten Kriterien nicht isoliert zu bewerten, sondern bezogen auf die jeweilige Fallkonstellation zu gewichten und ggf. kombiniert anzuwenden sind.


IV. Mögliche Maßnahmen zur Stärkung der Unabhängigkeit

In der Überzeugung, dass weitere Maßnahmen sowohl zur Stärkung der unabhängigen Film- und Fernsehproduzenten als auch zur Stärkung der Unabhängigkeit der Produzenten ergriffen werden müssen, vertritt der FAL folgende Positionen:

a) Empfehlungen an die Länderförderungen (Film- und Wirtschaftsförderungen)

· Der FAL empfiehlt, bei Länderförderungen noch stärker als bisher zum Ausdruck zu bringen, dass das Ziel der Förderung auch die Stärkung der Unabhängigkeit von Film- und Fernsehproduzenten ist. Entsprechende Festlegungen z.B. in Präambeln werden daher begrüßt.

· Kleine und mittlere Unternehmen bedürfen mehr als etablierte große Unternehmen einer intensiven Beratung parallel zur Antragstellung. Dies gilt beispielsweise für die Erstellung von Businessplänen, den Hinweis auf andere Finanzierungsquellen oder die Bereitstellung von Wagniskapital. Ein entsprechender Service sollte daher nach Auffassung des FAL zum Aufgabenbestand aller Länderförderungen gehören.

· Eine Reduzierung der Rechtebindung bei geförderten Produktionen ist nach Überzeugung der FAL ein zentrales Anliegen, mit dem zur Stärkung der Unabhängigkeit von Produzenten entscheidend beigetragen werden kann. Eine Verkürzung des Rechterückfalls auf grundsätzliche 5 Jahre sollte außerdem mit einer Reduzierung des Rechteumfangs (z.B. Zweit- und Auslandsverwertungen, Internet, DVD) einhergehen. Der FAL empfiehlt, in allen Länderförderungen entsprechende Regelungen zu schaffen und dabei zu beachten, dass entsprechende Reduzierungen im Einzelfall keine Auswirkungen auf den Umfang von Fördermitteln, Kofinanzierungsanteilen oder Lizenzen haben sollten.

· Der bei einer Reihe von Förderungen erklärte Verzicht der Fernsehveranstalter auf eine Mittelbindung ist ein positives Signal. Der FAL vertritt daher die Auffassung, dass entsprechende Verständigungen bei allen Länderförderungen angestrebt werden sollten. Ziel wäre es, den Rechteerwerb ausschließlich über die Kofinanzierung oder Lizenzen zu regeln.

· Die Notwendigkeit verstärkter Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen bzw. unabhängiger Produzenten sollte sich in den Länderförderungen auch in Form von Privilegierungen bei Projektförderungen bemerkbar machen. Dies könnte z.B. in Form geringerer Eigenanteile, verstärkter Paketförderung, gezielter Nachwuchsförderung für Produzenten oder festgelegter Förderanteile geschehen.

· Auch Koproduktionen sind ein Element zur Stärkung der Unabhängigkeit von Produzenten. Es sollten deshalb aus Sicht der FAL noch stärkere Anreize für europäische und internationale Koproduktionen geschaffen werden. Dies könnte z.B. durch entsprechende Förderschwerpunkte in den Förderungen der Länder geschehen.

· Mit Blick auf die z.T. unzureichende Kapitalausstattung von Produktionsunternehmen könnten nach Ansicht des FAL auch produktionsbezogene Bürgschaften, Existenzgründerdarlehen und die Bereitstellung von Wagniskapital geeignete Maßnahmen zur Stärkung der Unabhängigkeit von Film- und Fernsehproduzenten darstellen. Das Problem könnte sich bei einer zunehmend restriktiven Kreditvergabe (z. B. in Folge von Basel II) noch verschärfen.


b) Prüfungs- und Änderungsbedarf bei Rundfunkstaatsverträgen und Landesmediengesetzen

· Der FAL ist im Gegensatz zu einigen öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstaltern der Auffassung, dass die Förderung des Films als Kulturgut entsprechend der Praxis vieler Länderförderungen auch eine der Aufgaben der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist. Sie trägt sowohl qualitativ als auch quantitativ zur Sicherung der Programmbeschaffung bei. Der FAL empfiehlt daher eine klarstellende Ergänzung der Rundfunkstaatsverträge des Inhalts, dass eine sendegebietsbezogene Filmförderung zu den Aufgaben der öffentlich-rechtlichen Fernsehveranstalter gehört.


c) Verhandlungsbedarf mit den Fernsehveranstaltern

· Der FAL erkennt an, dass die Fernsehveranstalter schon heute erhebliche Leistungen zu Gunsten des deutschen Films erbringen. Die Protokollerklärung zum Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag hat nach Einschätzung des FAL gleichwohl noch nicht in vollem Umfang die erhoffte Wirkung gezeigt. So fehlen z. B. attraktive Sendeplätze für anspruchsvolle Produktionen unabhängiger Film- Fernsehproduzenten. Es sollte deshalb mit allen Fernsehveranstaltern darüber gesprochen werden, wie die Auftragssituation unabhängiger Film- und Fernsehproduzenten noch zielgenauer verbessert werden könnte. Ein zusätzliches Engagement der Fernsehveranstalter sollte sich auf die Stärkung der wirtschaftlichen Unabhängigkeit der Produzenten konzentrieren. Der FAL würde es begrüßen, wenn ein entsprechendes Engagement im Rahmen des Kulturauftrags auch in den Katalog der Selbstverpflichtungen der öffentlich-rechtlichen Fernsehveranstalter aufgenommen würde.

· Darüber hinaus unterstützt der FAL alle Initiativen zur Verbesserung der weithin üblichen Geschäftsbedingungen in Verträgen zwischen Veranstaltern und Produzenten und setzt sich hier für eine Stärkung der Stellung des Produzenten ein.


d) Vorschläge zur Novellierung des Filmförderungsgesetzes (FFG), soweit sie die Stärkung der Unabhängigkeit betreffen

· Eine Reduzierung der Rechtebindung bei geförderten Produktionen ist nach Überzeugung der FAL ein zentrales Anliegen auch im Rahmen der bevorstehenden Novellierung des Filmförderungsgesetzes (FFG). Die FAL ist weiter der Ansicht, dass eine Verkürzung des Rechterückfalls auf grundsätzlich 5 Jahre mit einer Reduzierung des Rechteumfangs (z.B. Zweit- und Auslandsverwertungen, Internet, DVD) einhergehen muss.

· Die Notwendigkeit verstärkter Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen bzw. unabhängiger Produzenten sollte sich auch in der Förderung des Bundes bemerkbar machen. Der FAL tritt deshalb auch dort für entsprechende Privilegierungen ein.

· Koproduktionen sind ein Element zur Stärkung der Unabhängigkeit von Produzenten. Es sollten deshalb aus Sicht der FAL auch in den Förderungen des Bundes noch stärkere Anreize für europäische und internationale Koproduktionen geschaffen werden.

· Marketing (insbesondere Verleih- und Vertriebsförderung) spielt bei deutschen Produktionen (insbesondere Kinofilmen) gerade im Vergleich zum amerikanischen Markt eine noch viel zu geringe Rolle. Entsprechende Maßnahmen für den deutschen Film müssen nach Ansicht des FAL ein stärkeres Gewicht erhalten. Dies sollte sich in den Förderungen des Bundes durch entsprechende Schwerpunktbildung und Mittelausstattung niederschlagen.


e) Weitere Forderungen gegenüber dem Bund zur Stärkung der Unabhängigkeit von Produzenten

· Der Medienerlass der Bundesregierung hat seine Wirkung aufgrund der sogenannten Betriebsstättenproblematik bisher nicht voll entfallen können. Die gegenwärtige Fassung hat zur Folge, dass ausländische Produzenten bei Koproduktionen in Deutschland besteuert werden können und deutsche Produzenten Kosten, die im Ausland entstehen, mit den in Deutschland erzielten Gewinnen nicht verrechnen können. Aus Sicht des FAL gibt es daher dringenden Handlungsbedarf.

· Eine Finanzierung durch Fonds sollte sich auf europäische Produktionen oder internationale Produktionen mit deutschen Produktionsanteilen konzentrieren, da andernfalls deutsches Kapital überwiegend in amerikanische Produktionen fließt. Die Fonds könnten damit noch mehr als bisher zur Stärkung der Eigenkapitalbasis deutscher Produzenten beitragen. Der FAL fordert die Bundesregierung vor diesem Hintergrund auf, § 2 a Einkommensteuergesetz im Einklang mit völkerrechtlichen Verbindlichkeiten mit dem Ziel zu ändern, auch und vor allem Investitionen in Deutschland zu fördern.



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