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Filmschau Niedersachsen - Inventur 8 / Positive Bilanz

09.-11.03.2001

Auf großes Interesse stieß am zweiten März-Wochenende in Hannover das Programm der 8. INVENTUR, der Filmschau Niedersachsen. Gezeigt wurden über 40 neue Filmproduktionen, darunter 17 Premieren, die aus Mitteln der Filmförderung des Landes und des NDR in Niedersachsen gefördert wurden. Mehr als 2.000 Zuschauer überzeugten sich von der hohen Qualität der Filme, die von den Filmemachern und Filmemacherinnen persönlich vorgestellt wurden. Die Inventur 8 bot auf hohem Niveau amüsante Unterhaltung, spannende Informationen und berührende Geschichten. Die Veranstaltung wurde vom Film & Medienbüro Niedersachsen e.V. in Kooperation mit NORD MEDIA, Die Mediengesellschaft Niedersachsen/Bremen mbH, durchgeführt und aus Mitteln der Filmförderung des NDR und NORD MEDIA finanziert.

Der überwiegende Teil des Programms bestand aus Dokumentarfilmen. Der Eröffnungsfilm MIT ANDEREN AUGEN von Uwe Gooß und Manuel Rennert stellte Sabriye Tenberken vor, eine blinde, junge Frau, die mit außergewöhnlichem Engagement blinden Kindern in Tibet hilft, ein eigenständiges Leben aufzubauen. Aufgrund des großen Interesses musste der Film wiederholt werden.

Über ein cineastisches Publikum hinaus fühlten sich auch Kreise angesprochen, die eine inhaltliche Nähe zu den Sujets der Filme haben, das sorgte oftmals für angeregte und fruchtbare Diskussionen. Zu den Besuchern gehörten etwa deutschstämmige Kirgisen und hiesige Mennoniten bei Hans-Erich Viets MILCH UND HONIG AUS ROTFRONT über deutsche Mennoniten in einem kirgisischen Dorf. Viele Hebammen waren angereist zu dem berührenden autobiographischen Werk MEIN KLEINES KIND von der Regisseurin und Hebamme Katja Baumgarten, und die Jazzfans Hannovers fanden sich ein bei IT DON`T MEAN A THING, IF IT AIN`T GOT THAT SWING! von Niels Bolbrinker über aktive Veteranen aus den heißen Swing-Zeiten Hannovers. Mit dem anschließenden Konzert von "Mr. Swing Heinz Both und Freunde" in der cumberlandschengalerie zählte dieser Programmblock zu den Highlights der diesjährigen INVENTUR.

Auch wenn wohl kaum CIA-Agenten bei der bremischen Produktion LIEBER FIDEL - MARITAS GESCHICHTE im Kinosaal saßen, sorgte der Film für Aufsehen. Grimme-Preisträger Wilfried Huismann erzählt hier die Geschichte der Bremer Kapitänstochter Marita Lorenz, die zur Geliebten Fidel Castros wird, später für den CIA arbeitet und als einzige Frau unter 5.000 Söldnern für den Krieg gegen Kuba trainiert wird. Huismann ist in seinem spannenden Zeitdokument dicht an der schillernden Hauptfigur. So auch Bernd Reufels und Micha Bojanowski: Sie zeichnen in HAFTSPUREN - CHRONIK EINER VERFOLGUNG ein intensives Porträt über eine mutige Frau, die Berlinerin Erna Türck, deren Schicksal als politisch Verfolgte in der DDR vielen im Saal emotional sehr nahe ging.

Das Programm der 8. INVENTUR zeichnete sich aus durch viele gelungene Dokumentationen über interessante Menschen, vom banalen Alltagsleben bis zu außergewöhnlichen Schicksalen. Beides berührt das Porträt eines schwulen Paares aus Nordhorn, HERR SCHMIDT UND HERR FRIEDRICH von Ulrike Franke und Michael Loeken. Der Film stieß mit seiner liebevollen Annäherung an das schrullige Pärchen in seiner kleinbürgerlichen Welt und dem Leben voller Leidenschaft für das Triviale auf begeisterte Reaktionen beim Publikum. GNADENLOS heißt ein weiterer hervorragender Film. Regisseurin Andrea Schramm begleitete in ihrem Meisterwerk drei für ihre Brutalität berüchtigte Jugendliche aus der Jugendanstalt Hameln während ihrer Teilnahme an einem Anti-Aggressivitätstraining des Psychologen Dr. Michael Heilemann. Glaubhaft konnte die Regisseurin den Jugendlichen ihr Interesse an ihnen vermitteln - etwas, was die drei in ihrem Leben selten erlebt hatten -, und damit gewann sie ihr Vertrauen.

Weitere Dokumentationen beschäftigten sich mit niedersächsischen Kinofamilien in Hoya, Rinteln und Gronau, mit dem Besitzer und Errichter des Mühlenmuseums von Gifhorn, Horst Wrobel, mit dem Fotografen und Kosmopoliten Heinrich Heidersberger oder dem 1763 geborenen Dichter Johann Gottfried Seume. Die Geschichte des dienstältesten Schiffes der Welt, der Graf Götzen, die 1913 in Papenburg gebaut wurde und immer noch auf dem Tanganjika-See fährt, faszinierte die Zuschauer. Es gab Filme zu sehen über Rothirsche, Möwen und Schafe, aber auch über die Traditionsfirma Jägermeister aus Wolfenbüttel, die sich erfolgreich in den USA vermarktet, indem sie zum Beispiel so genannte "Jägerettes" als Promotiongirls zu Partys in den Clubs entsendet. Wilfried Köpke beschäftigte sich mit der Zukunft unserer Arbeit, Ulrike Brenning begab sich in NIEDERSACHSENLAND auf die Suche nach Geschichten und Menschen, die Niedersachsen prägen, und Jürgen Hobrecht recherchierte die Vertreibung der Juden aus Göttingen.

Bei der Drehbuchlesung SCRIPT UP! wurden zwei Drehbücher vorgestellt, die im vergangenen Jahr unter Leitung von Wojciech Marczewski in der Drehbuch-Werkstatt Niedersachsen entwickelt wurden. Julia Richter und Mitglieder des Ensembles des schauspielhannover trugen Passagen aus der romantischen Eisenbahngeschichte "Endstation Seinstedt" von Dirk Drebelow und Herbert Wüst und "Boot-Piepel" von Ali Samadi-Ahadi und Ingolf Bannemann vor.

Sechs Kurzfilme gehörten zum Programm, besonders gut kamen hier die Filme THE DAY SLOWS DOWN AS IT PROGRESSES von dem Braunschweiger Thomas Bartels und STAPLERFAHRER KLAUS von Stefan Prehn und Jörg Wagner sowie die Bremer Produktion AS IF von Christian Meyer beim Publikum an.

Eine nicht unwesentliche Rolle in der niedersächsischen Filmproduktion spielt seit Bestehen der Hochschulen in Braunschweig und Hannover der Experimentalfilm. Für viele Künstler ist Film - einschließlich Video und neuerdings auch CD-ROM - ein ideales Ausdrucksmittel für die Gestaltung persönlicher Visionen und ästhetischer Kommentare. In die Rubrik "experimenteller Spielfilm" gehört Harald Bergmanns neue Arbeit SCARDANELLI, die sich auf verschiedenen Ebenen - Spielfilmszenen, fiktiven Interviews, animierten Zeichnungen - den späten Jahren Hölderlins, den Jahren seiner Umnachtung, annähert. Deborah Phillips verschmilzt in ihrem Film MOSAïC islamische und jüdische Ornamente und Architektur zu einem Mosaik unterschiedlicher optischer Eindrücke, was - in Verbindung mit der Musik - so etwas wie einen visuellen Klangteppich ergibt, während Karola Schlegelmilch in DIE RESONANZ VON AUGENBLICKEN II die Ästhetik von S-8-Aufnahmen dazu benutzt, persönliche Erlebnisse als Ausdruck allgemeiner existenzieller Erfahrungen zu gestalten.

Zum Abschluss bot die INVENTUR ein Multimedia-Programm, das auf großes Interesse stieß. Neue Wege gehen Hanno Baethe und Zaki Omar, die eine CD-ROM vorlegten: LIFE IS A KILLER - FEATURING JOHN GIORNO, experimentelle Dokumentation und zugleich Porträt des in New York lebenden Dichters und Performance-Künstlers John Giorno. Dieser, ein Weggefährte Andy Warhols, war persönlich anwesend und trug zur Überraschung des Publikums spontan einige seiner auf Sprechgesang basierenden Gedichte vor.

VEEJAY NIGHTS, ein Pilotfilm von Egon Bunne und Oliver Held, ist ein furios geschnittenes Videoband aus der Clubszene, das die vom European Media Art Festival Osnabrück im vergangenen Jahr organisierten VJ-Nights in verschiedenen Städten auf rhythmisch rasante Art dokumentiert.

Die Zahl der akkreditierten Fachbesucher fiel mit über 200 besonders hoch aus und zeugt von dem Interesse der Regisseure, Produzenten und Redakteure, nach Hannover zu kommen, um ihre Filme vorzustellen und sich über neue Projekte auszutauschen. Nicht zuletzt profitiert davon die Stadt, für die das "Arbeitstreffen mit Festivalcharakter" zunehmend ein wichtiges kulturelles Ereignis wird.

Für die Veranstalter ziehen die beiden Organisatoren der Filmschau Susanne Höbermann und Henning Kunze eine rundum positive Bilanz. Dies betrifft auch die Wahl der Veranstaltungsorte und deren Kooperation (Kino im Künstlerhaus, Theatermuseum und cumberlandschegalerie) und die Unterstützung durch ein engagiertes und äußerst fachkompetentes Moderatorenteam. Aufgrund der jetzt schon großen Nachfrage von Kinobetreibern in Niedersachsen und Bremen wird in Kürze ein "Best-of-Filmschau-Programm" zusammengestellt werden, das im Norden auf Tournee gehen soll.

Das Filmschau-Programm ist in einem deutsch-englischsprachigen Katalog zusammengefasst, der beim Film & Medienbüro Niedersachsen in Hannover für eine Schutzgebühr von DM 4,- erhältlich ist und auch auf diesen Internetseiten zu finden.

Kontakt:
Film & Medienbüro Niedersachsen
Susanne Höbermann, Henning Kunze
Fon 0511/13660 oder 13470
fmb.hann@t-online.de

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