Film & Medienbuero Niedersachsen

Filmförderung


›Bündnis für den Film‹

Auftakt in Babelsberg

Staatsminister Dr. Michael Naumann, Beauftragter der Bundesregierung für Kultur und Medien, hatte rund 70 Vertreterinnen und Vertreter von Filmförderung, Filmwirtschaft, Fernsehen, Produzenten, Regisseuren und Autoren zu einer ersten Gesprächsrunde unter dem Titel ›Bündnis für den Film‹ am 9. und 10. April 1999 nach Babelsberg geladen.

Ziel war, gemeinsame Perspektiven für die dauerhafte Stärkung des Films in Deutschland und Europa zu erarbeiten.

Aufgrund des großen Diskussionsbedarfs der einzelnen Punkte wurde das Thema ›Stärkung der kulturellen Filmförderung in Deutschland‹ bis zur nächsten Tagung im Herbst 99 in München zurückgestellt. Zu drei Themen wurden Arbeitsgruppen vereinbart, die auf der Herbsttagung ihre Zwischenergebnisse vorlegen werden.

1. Verbesserung der Abstimmung und Koordinierung der Filmförderungen des Bundes und der Länder

Die Vertreter der sechs großen Filmförderungen der Länder Baden-Württemberg, Bayern, Berlin-Brandenburg, Hamburg, Mitteldeutschland und Nordrhein-Westfalen sowie der FFA und des BKM berichteten, daß die Fördereinrichtungen aus ihrer Sicht gut miteinander kooperieren und an weiteren Vereinheitlichungen der Antragsunterlagen arbeiten würden. Sie stellten heraus, daß die Länderförderungen in den vergangen Jahren sehr erfolgreich gefördert hätten.

Vertreter der Produzenten klagten über zu hohe Bürokratie und mangelnde Flexibilität. Sie plädierten für den Erhalt der Länderförderungen.

Staatsminister Naumann machte deutlich, daß seitens der Bundesregierung nicht an eine Zentralisierung der Fördereinrichtungen gedacht ist. Er sehe in den Landesförderungen eine Voraussetzung und einen Bestandteil der kulturellen Vielfalt in Deutschland.

Im Vorgriff auf das 2. Thema wurden Meinungsverscheidenheiten deutlich hinsichtlich des großen Einflußes der Fernsehanstalten in den diversen Fördereinrichtungen. Durch die finanzielle Beteiligung der Sender würde das Niveau und die Qualität der geförderten Produkte zu stark dominiert. Dies schränke die Wettbewerbschancen der deutschen Filme auf dem europäischen und deutschen Kinomarkt ein. Die Kreativen und die unabhängigen Produzenten beklagten mangelnde Risikobereitschaft der Sender bei ungewöhnlichen Stoffen und Formaten.

Die Vertreter der Sendeanstalten ebenso die der Privaten wiesen den Vorwurf der Einflußnahme zurück und problematisierten die Qualität der eingereichten Stoffe und die Qualifikation der Fördergremien.

Staatsminister Naumann appellierte an die Verantwortung der Öffentlich-Rechtlichen Sendeanstalten im Hinblick auf die Förderung des Nachwuchses und die Gewichtung von kulturell bedeutsamen Filmen im Programm.

2. Bessere Wahrnehmung des Kulturauftrages durch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sowie Stärkung der Rechte der unabhängigen Film- und Fernsehproduzenten

Staatsminister Naumann hält die Rechtesituation der unabhängigen Produzenten nach bisherigem Kenntnisstand für äußerst problematisch. Seiner Meinung nach müßten die Produzenten in der Lage sein, mittelfristig aus ihren Rechteverhältnissen einen eigenen Filmstock aufzubauen. Dazu bräuchten sie die Rechte an ihren Filmen und die Möglichkeit zusätzlicher Lizenzverkäufe. Er regte eine Erfolgsbeteiligung der Produzenten durch eine vertraglich geregelte Gleitklausel an.

Nach Auffassung des Staatsministers waren sich alle Beteiligten darüber einig, daß eine Stärkung der Rolle und der Rechte der Film- und Fernsehproduzenten erforderlich ist, um eine Strukturverbesserung in der deutschen Film- und Fernsehwirtschaft zu erreichen.

Probleme sahen Teilnehmer in der Praxis der Sendeanstalten, eigene Produktionsfirmen auszugründen, um damit linearen Zugriff auf die Fördertöpfe zu erhalten.

Diskutiert wurde auch über eine Programmquote für unabhängige Produzenten analog den Regelungen in Großbritannien und Frankreich. Hierzu wären Vereinbarungen zwischen den Film- und Fernsehproduzenten sowie den Rundfunkanstalten und den privaten Sendern erforderlich.

Angesprochen wurde auch die Schaffung eines Zweitverwertungsmarktes, der Rückflüsse für Produzenten ermöglichen soll.

Besonders schwierig scheint die Einschätzung, welche Auswirkungen die Digitalisierung auf die Rechtefragen hat. Staatsminister Naumann wies daraufhin, daß zu diesem Punkt gesondert auch im Kulturausschuß des Bundestages verhandelt wird.

Insgesamt blieb die kontrovers geführte Diskussion ohne Ergebnisse. Vereinbart wurde die Bildung einer Arbeitsgruppe, die bis September 1999 zu den angesprochenen Fragen konkrete Vorschläge erarbeiten soll.

Zum Punkt: ARTE wurde von vielen Seiten die unterschiedliche - für deutsche Produzenten nachteilige - Behandlung der Auftragnehmer kritisiert. Von ARTE wurde bestätigt, daß sich ARTE nicht direkt in die Vertragsverhandlungen zwischen Produzenten und dt. Sendeanstalten einschalten kann. Die Benachteiligung deutscher Produzenten wird als Problem gesehen.

Die französischen Produzenten verhandeln mit einem Sender und geben die Rechte für eine Ausstrahlung für ein Jahr ab. In Deutschland bestehen die Sendeanstalten in der Regel auf Mehrfachausstrahlung und bis zu 7 Jahren Verwertungsrecht.

Kritisiert wurde, daß die von ARTE festgelegten Budgets für einzelne Formate und Sendeplätze nicht an die Produzenten weitergereicht werden.

Die Erwerbung zusätzlicher Mittel und steuerrechtliche Fragen in Bezug auf die aufgelegten Filmfonds wurden von allen Beteiligten als wichtig erachtet. Die neue Regelung für die Filmfonds im Steuerentlastungsgesetz soll baldmöglichst in ihren Auswirkungen überprüft werden.

3. Strukturelle Verbesserung der Außenvertretung des deutschen Films

StS Nevermann regte an, die nationale und internationale Aussenvertretung zusammenzulegen. Die Produzentenvertreter, die an der EXPORT-UNION beteiligt sind, forderten eine bessere finanzielle Ausstattung der Aussenvertretung.

Die Produzenten wünschen sich mehr Transparenz und Kompetenz zur Vermittlung von Erfahrung für den internationalen Verkauf und Vertrieb.

Die Teilnehmer einigten sich nach langer kontroverser Diskussion, die Ergebnisse der in Auftrag gegebenen Gutachten abzuwarten und diesen Punkt erneut im Herbst zu behandeln.

Von Seiten der Kreativen (u.a. Volker Schlöndorff und Reinhard Hauff) wurde empfohlen, analog zu Frankreich Film und Medien in das Bildungsprogramm der allgemeinbildenden Schulen aufzunehmen.

4. Europäische Filmförderungspolitik

Das MEDIA II Programm wurde insgesamt von allen Teilnehmenden für die deutsche Filmkultur und Filmwirtschaft als unzureichend und unpraktikabel bewertet.

Die Ungleichbehandlung zu anderen europäischen Produzenten stand im Vordergrund der Kritik. Beklagt wurde auch die mangelnde Transparenz der Filmpolitik der EU-Kommission, die mangelnde deutsche Beteiligung in den Entscheidungsgremien sowie der schleppende Informationsfluß aus Brüssel.

Positiv wurde die Distributionsförderung bewertet.

Die Stoff - und Projektentwicklungsförderung sei aufgrund zahlreicher innerdeutscher Möglichkeiten nicht besonders gefragt. Außerdem sei die Selbstbeteiligung( Eigenanteil) für kleine Produzenten zu hoch.

Staatsminister Naumann kündigte an, daß an keine Erhöhung der Mittel für die europäischen Programme aus dem Haushalt der Bundesregierung gedacht sei.

Die Teilnehmer des ›Bündnis für den Film‹ begrüßten abschließend die Aufwertung des deutschen Films durch die Initiativen von Staatsminister Dr. Naumann und erwarten eine konstruktive Weiterführung des begonnenen Dialoges.

Barbara Etz (Film- und Fernsehproduzentin, Hannover)

Kinopremiere: ›Die Rote Hand von Ulster‹ in Emden

Nachdem der neue Dokumentarfilm von Hans-Erich Viet ( Produktionsleitung: Usch Luhn) bereits im Januar 1999 im Kulturkanal arte ausgestrahlt wurde, fand nun am 12. März 1999 die Kinopremiere im ausverkauften Forum der Emder Volkshochschule statt. Finanziert wurde der Film aus Mitteln der kulturellen Filmförderung des Landes Niedersachsen (Stoffentwicklung) und der Filmförderung aus Mitteln des NDR in Niedersachsen, in Koproduktion mit dem BR und arte.

Für Hans-Erich Viet ist der Nordirland-Konflikt zwischen den Unionisten und den Nationalisten, also zwischen den Protestanten und den Katholiken ein Thema, mit dem er persönliche Erinnerungen verbindet. ›Das Land, der Konflikt der staatlichen und gesellschaftlichen Trennung, beschäftigt mich seit 20 Jahren, seit ich 1973 mit der Berliner Organisation AKTION SÜHNEZEICHEN die Gelegenheit bekam, dort im sozialen Bereich zu arbeiten.‹ schreibt Hans-Erich Viet in der Einleitung zu seinem Recherchenentwurf für ›Die Rote Hand von Ulster‹ im Jahr 1994. Er arbeitete ab 1973 für eineinhalb Jahre als Sozialarbeiter in einem ökumenischen Projekt und lernte dort die verschiedenen Perspektiven von Katholiken und Protestanten kennen. Nach weiteren Aufenthalten in Nordirland studierte Viet 1981/1982 an der Queen's University Belfast irische Politik und Philosophie und schrieb 1985 seine Diplomarbeit bei den Politologen an der Freien Universität Berlin zu dem Thema ›Politisches Krisenmanagement in Nordirland‹.

Mir scheint der Ausspruch eines anonymen Ulstermannes ›Anyone who isn' t confused here doesn' t really understand what is going on‹, den Hans-Erich Viet seiner Diplomarbeit vorangestellt hat, für die im Film ›Die Rote Hand von Ulster‹ dargestellten Situationen und Positionen mehr als zutreffend.

So echauffiert sich eine protestantische Frau mittleren Alters gegenüber den Katholiken, indem Sie unmißverständlich klarstellt, welchen Anspruch auf Existenz sie in Nordirland haben. Die Unionisten vertreten Britannien auf der irischen Insel und sollte das den Katholiken nicht passen, dann könnten sie ja in die Republik Irland überwechseln. Und, so legt es der Off-Kommentar von Hans-Erich Viet nahe, haben die Katholiken beispielsweise bei der Vergabe von Arbeitsplätzen häufig das Nachsehen und stellen in der protestantisch dominierten Polizei (RUC) eine Minderheit. Man sieht in dem Film immer wieder Kinder, die sich in Gewalt üben, indem sie vor Pressefotografen mit Steinchen schmeißen, Kinder die ihren Alltag leben wollen, die aber auch genau die Quartiergrenzen kennen, die sie tunlichst nicht überschreiten sollten und Jugendliche, die stolz auf ihre protestantischen oder katholischen Märtyrerkämpfer sind.

Sehr betroffen machen die Schilderungen der Zeugen und Angehörigen von Opfern der teilweise ziellos erscheinenden Gewalttaten mit oft tötlichem Ausgang. Sozialarbeiter versuchen, über die konfessionellen Grenzen hinweg dem Zusammenleben in Nordirland eine Perspektive zu geben und sehen sich dafür mit Morddrohungen konfrontiert. Ein indischer Lebensmittelhändler, auf neutralem Gebiet zwischen einem protestantischen und einem katholischen Wohnviertel, scheint nahezu unantastbar. Vielleicht weil er beide Seiten mit Lebensmitteln versorgt.

Man spürt förmlich die Präsenz der IRA und der Ulster Volunteer Force (UVF), auch wenn nach dem Sieg der Labour-Regierung 1997 ein Friedensvertrag zwischen den seit Jahrhunderten verfeindeten Gruppen zustandekam.

Die nachdenklichen Töne des ehemaligen Führers der UVF, Gusty Spence, der 19 Jahre im Gefängnis saß, lassen Mut schöpfen für eine politische und gewaltfreie Lösung der Konflikte in Nordirland. Der dramatische Höhepunkt des Films, die Auseinandersetzungen um die Durchführung eines Marsches der Protestanten mit Flöten und Trommeln durch ein katholisches Wohngebiet im Örtchen Drumcree / Portadown in Gedenken an den Sieg des protestantischen ›King Billy‹ (Wilhelm von Oranien) über die Katholiken im Jahr 1690, relativiert allerdings sehr eindringlich die Hoffnung auf eine allzu baldige Beendigung der Auseinandersetzungen. Ein katholischer Pfarrer versucht vergeblich, gemeinsam mit Anwohnern eine Kompromißroute für den Marsch auszuhandeln. Auch die neue Blair-Regierung schickt ein massives Polizei- und Armeeaufgebot in den Ort, um den Zug der Unionisten gegen den zunächst friedlichen Protest der Katholiken durchzusetzen. Mit Einbruch der Dunkelheit eskaliert die Situation. Die Bilder des nächsten Tages zeigen trommelnde und pfeifende Protestanten, die sich scheinbar unbeirrt durch ein hermetisch abgedichtetes Spalier von Militär- und Polizeifahrzeugen bewegen. Trauriger Höhepunkt dieses Marsches ist die Ermordung einer Anwältin Anfang 1999, die mit juristischen Mitteln versucht hatte, den Umzug der Unionisten 1997 durch das katholische Wohngebiet zu verhindern.

Hans-Erich Viet ist es gelungen, beeindruckende Bilder und Töne aus Nordirland zu finden, die uns Menschen nahebringen, die dort überleben wollen.

Nach dem Film wurde noch lange und ausgiebig bei irischer Folklore und irischem Bier und Whisky über den Film gesprochen. Gäste waren u.a.: Bernd Michael Fincke (zuständiger Redakteur des NDR), Eike Besuden (Radio Bremen), Christian Geissler und Paul Meyer (Grimmepreisträger ›Der Hauptmann von Muffrika‹). (Henning Kunze)

›Willy der Stummfilmpianist‹

in Vorbereitung

Willy Sommerfeld, auch heute noch aktiv, ist mit 95 Jahren dienstältester Stummfilm-Pianist. Er hat die Anfangsjahre des Stummfilms als Stummfilmpianist in Berlin und später Leiter eines Stummfilm-Orchesters in Braunschweig miterlebt.

Daß es über diese Kinolegende keinen Film gibt, ist sehr erstaunlich. Matthias Wrage ist es zu verdanken, daß endlich ein Filmprojekt über und mit dem rüstigen Filmmusik-Pionier Sommerfeld in Vorbereitung ist. Der Kameramann und Mitarbeiter der Kinowerkstatt Lüneburg hatte bereits seit Jahren die Idee zu einem Film. Konkret wurde das Vorhaben, als er vor einem Jahr bei der Drehbuch-Werkstatt Niedersachsen die aus Frankfurt a.M. stammende Berliner Produzentin der Firma TV-Ventures (u.a. ABNORMAL, DIE 5. RUBRIK, SPECIAL OLYMPICS, LA LEGION ETRANGERE) und Regisseurin Ilona Ziok (u.a. KURT GERRONS KARUSSELL) für dieses Projekt gewinnen konnte. Beide werden den Film im Frühjahr dieses Jahres realisieren.

An Willy Sommerfelds Seite ist Walter Raffeiner, der international bekannte und preisgekrönte Operntenor (u.a. neben Jessy Norman als Herodes in SALOME zu hören) und Brecht-Interpret (Volksbühne Berlin) zu sehen.

Neben der MSH in Schleswig-Holstein, die nicht nur die Produktion, sondern bereits schon die Entwicklung des Projekts ermöglichte, werden an der Produktion folgende Förderungen beteiligt sein: Filmförderung aus Mitteln des NDR in Niedersachsen, Media II, Filmförderung Hamburg, Stiftung Kulturfond Berlin. Die Spitzenfinanzierung wurde bei der Hessischen kulturellen Filmförderung beantragt. Redaktionell wird das Projekt von Bernd Michael Fincke vom NDR/Fernsehspiel betreut.

Die Partner für die Vermarktung und Auswertung stehen bereits fest. Der Berliner Filmverleih EDITION SALZGEBER, besonders erfolgreich auf dem Sektor der Musikdokumentation (NICO-ICON, BLUE NOTE, EASTSIDE STORY), wird die Kinoauswertung übernehmen und EUROARTS International, bekannt als einer der größten internationalen Vertriebe von Musikprogrammen, übernimmt den Weltvertrieb. Zudem wird EASTWEST RECORDS (Klassikabteilung der Time Warner) die Filmmusik auf CD herausbringen.

Willy - der Stummfilmpianist. Dokumentarischer Film, 35 mm, Beta, 60:00. Produktion: TV-Ventures, Ilona Ziok; Buch: Ilona Ziok; Regie: Ilona Ziok, Matthias Wrage; Kamera: Thomas Mauch, Matthias Wrage; Förderung: Filmförderung Nds. aus Mitteln des NDR, MSH, MEDIA, Filmförderung Hamburg, Stiftung Kulturfonds.


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Osnabrück-Net Letzte Änderung: 5.5.1999