Film & Medienbuero Niedersachsen

· Rundbrief 44 ·
Festival-Rückblick


World Animation Celebration Pasadena, Californien



Kirsten Winter bei der Arbeit an ihrem Film Smash, den sie auf den Festivals in Pasadena und Brüssel vorstellte. (Foto: Gerd Gockel)

Smash von Kirsten Winter (Foto: Kirsten Winter)

Es war genau das, was angekündigt worden war: ›a festival, a trade show, a conference, a job fair, a student marathon, and an Internet pow wow‹.

Und eigentlich war es das eben doch nicht: Das Festival als solches ist verloren gegangen in dem übergroßen Angebot. Daß das World Animation Celebration Pasadena, Californien (WAC) gerade den ›independent filmmakers‹ eine Plattform bieten wollte, blieb ein Lippenbekenntnis, es wurde eine große ›Trade Show‹, und ist somit zu einer überdimensionierten Werbe›Celebration‹ der größten kommerziell arbeitenden Animationsfirmen verkommen: DreamWorks, Columbia TriStar Television, Sony Pictures Imageworld, Warner Bros., 20th Century Fox und Universal, um nur einige zu nennen. WAC ist für mich das beste Beispiel, was passieren kann, wenn ein Festival zu fast 100 % sponsorenabhängig ist und den Leitern das Gespür für ein Festival als ›Celebration‹ fehlt.

Notwendiges Übel

Von Anfang an konnte ich mich des Eindrucks nicht erwähren, daß ›independent Filme‹ und somit auch die entsprechenden Filmemacher nur als ein notwendiges(?) Übel angesehen wurden. Eklatante organisatorische Fehlgriffe betrafen meistens den ›independent‹ Bereich, eine Brücke zwischen Kommerz und Kunst (um es mal auf diese beiden Schubladen zu reduzieren) wurde nicht geschlagen. Jeglicher Versuch der Kommunikation zwischen beiden ›Ebenen‹ wurde erfolgreich unterbunden.

Mit 400$ teuren Karten für zweitägige Seminare wurden die independent Filmemacher und Studenten auf ihren Platz verwiesen und konnten sich glücklich schätzen dort ›Leidensgenossen‹ zu treffen. Die Leiterin Leslie Sullivan pries zwar vor jedem Screening minutenlang ›the great and really fabulous festival‹, in welches sie so unendlich viel Arbeit gesteckt hätte, vergaß dabei jedoch grundsätzlich, anwesende Filmemacher zu erwähnen und vorzustellen. Die Anonymität war gesichert. Sie hätte es auch nicht nötig in der Welt ›herumzutingel‹, um zu wissen, wie man ein gutes Festival macht (auf meine zur der Zeit nur leise angedeutete Kritik). - Warum auch, wenn man L.A. als Mittelpunkt der Filmwelt ansieht.

Vielfalt und Qualität

Eine Einschätzung, die sich eins zu eins auf die Programmstrukturierung übertrug. Dem amerikanischen Publikum wurde auch nicht im geringsten die Chance gegeben, auf den Gedanken zu kommen, daß außerhalb Nordamerikas auch sehenswerte Filme produziert werden: Je später der Nachmittag, d. h. je mehr Zuschauer zu erwarten waren, desto mehr amerikanische Filme wurden gezeigt. Gute Programme, die sich durch Vielfalt und die Qualität auszeichneten, sind vorzugsweise von 9.30 bis 17 Uhr gelaufen, die Zeiten 19.30 und 21.45 Uhr wurden überwiegend den Sponsoren (die mit ihren Produkten ebenfalls massiv am Wettbewerb teilnahmen) gewidmet, mit dem Erfolg, daß das Publikum genau das gesehen hat, was es durch’s Kino und das tägliche Fernsehen sowieso schon kennt.

Bei der quantitativen Überladung des Festivals - 21! Wettbewerbsprogramme ließen keine Chance für Wiederholungen - konnte ich mir nicht mehr als einen kleinen Eindruck über die, wie bereits erwähnt, hauptsächlich amerikanischen Produktionen verschaffen, was mir - durchaus mit einer europäischen Arroganz bemerkt - gereicht hat. Es gab selten wirklich gute Beiträge, bei denen Inhalt und Form kongruent waren. Extrem aufwendige - und somit auch teure - 3D-Computeranimationen ließen jegliche Dramaturgie, geschweige denn Story, vermissen, Kinderfilme waren pädagogisch so überfrachtet und platt, daß es peinlich war und die Sehnsucht nach spannenden tschechischen Produktionen immer größer wurde.

Es gab natürlich auch einige Highlights. Zu nennen ist hier besonders Ray Harryhausen, (Clash Of The Titans) der ebenso wie John Coates (Prod. Yellow Submarine) und Joe Hanna und Bill Barbera (Tom & Jerry), mit zahlreichen Filmausschnitten vorgestellt und für sein Lebenswerk ausgezeichnet wurde.

Überrascht hat mich auch das National Filmboard of Canada (NFC). Nachdem ich 1995 in Montreal Arbeiten des NFC gesehen hatte, befürchtete ich, daß es sein gutes Image nur noch auf Filme der frühen Jahre aufbaut. Die aktuellen Arbeiten lassen vermuten, daß ich mich gerirrt hatte.

Vielleicht etwas verkürzt läßt sich sagen, daß sich die Filme der USA nicht gerade durch Vielfalt ausgezeichnet haben. Schlecht gemachte Fernsehserien überwogen. Erfreulich schneiden dann die europäischen, sogar die deutschen Produktionen im Vergleich ab. Die wenigen Beiträge, die gezeigt wurden, umspannen in ihren unterschiedlichen Techniken, Inhalten und der Erzählstrukturen einen größeren Bogen als die meisten USA-Produktionen, die ich gesehen habe.

Je öfter ich große internationale Festival besuche, desto wichtiger erscheint es mir, unsere größtenteils noch unabhängige (Kurz-)Filmkultur aufrechtzuerhalten und der Tendenz, die kulturelle Filmförderung in wirtschaftliche Filmförderung umzuwandeln oder in immer größere Abhängigkeit vom Fernsehen zu bringen, Einhalt zu bieten.

Wirtschaftliche Zwänge

Immer stärker werden die deutschen Kurzfilme auf internationalen Festivals wahrgenommen (WAC ist eine Ausnahme), nicht weil sie ›fast das Niveau der amerkanische Produktionen‹ erreicht haben, sondern weil sie anders sind. Sie sind anders, weil sie noch nicht diesen wirtschaftlichen Zwängen unterliegen. Noch können wir Filme machen und uns dabei auf die Auseinandersetzung mit dem Medium Film konzentrieren, (wenn man es erst einmal geschafft hat die Finanzierung zustande zu bringen) nicht darauf, ob er serienfähig, quotenträchtig und verkaufbar ist.

Wir müssen uns bewußt werden, daß das Potential, daß es hier in Deutschland gibt, nicht zerstört werden darf. Lieber einige Filme, die übers Ziel hinausschießen, als viele, die auf dem Weg hängenbleiben, weil sie dem angeblichen Durchschnittsgeschmack des Durchschnittsdeutschen genügen müssen.

Laßt uns mehr Freiheit, es wird sich auszahlen. (Oder anders herum: macht nur weiter so, es wird sich fürchterlich rächen.)

(Kirsten Winter)


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