Film & Medienbuero Niedersachsen

· Rundbrief 44 ·
Filmszene


Premiere
21. Mai 1998 18 Uhr, Apollo-Kino Hannover:
Ein langes Leben - Olga Bontjes van Beek

Ein Dokumentarfilm von Sara Fruchtmann und Konstanze Radziwill.

Der Film erzählt von einer Frau, die fast ein Jahrhundert alt wurde. Olga Bontjes van Beek hat die Weimarer Republik, die Nazizeit und die Bundesrepublik erlebt. Immer wieder kommt sie in Kontakt mit der Zeitgeschichte, oft steht sie quer zu den geltenden Normen und verstößt dagegen. Ihre Entwicklung als Künstlerin nimmt keinen gradlinigen Verlauf, wie bei vielen männlichen Kollegen. Beruf, weiblicher Lebensalltag und eine politische Haltung des ›aufrechten Ganges‹ sind bei ihr untrennbar verbunden. Im traditionellen Verständnis ist sie keine Heldin, aber sie war es zu bestimmten Zeiten.

Mit dem für sie typischen Eigensinn ging Olga ihren Weg als avantgardistische Ausdruckstänzerin, expressionistische Malerin, Ehefrau, geschiedene Frau und Mutter dreier Kinder, die sie in der Nazi-Zeit konsequent zu freien Individuen erzog. Olgas älteste Tochter Cato wurde 1943 mit 22 Jahren in Berlin-Plötzensee hingerichtet, weil sie Flugblätter geschrieben hatte, die zum Widerstand aufriefen. Olga hat um das Leben der Tochter gekämpft und verloren.

Die zweite Tochter Mietje, die zusammen mit Cato illegal französischen Kriegsgefangenen geholfen hatte, entging ihrer Verhaftung nur durch einen Zufall. Sohn Tim, der Pianist werden wollte, wurde zwei Wochen nach Catos Hinrichtung an der russischen Front verwundet, ein Handdurchschuß machte seine Zukunftspläne zunichte. ›Kümmert Euch um Mama!‹ schrieb Cato in ihrem Abschiedsbrief an die Geschwister.

In der neugegründeten Bundesrepublik prozessierte Olga zwölf Jahre lang gegen das Land Niedersachsen um Catos Rehabilitierung und gewann den Prozeß. Gleichzeitig wurde sie noch in der zweiten Lebenshälfte zu einer Malerin von großer Kraft.

Doch ihre Geschichte ist nicht nur eine Familiengeschichte. Sie war befreundet mit dem Pianisten Walter Gieseking, der sie als Tänzerin auf dem Klavier begleitete, mit dem Bildhauer Bernhard Hoetger, der ihre Kulissen malte, mit dem Maler Heinrich Vogeler, in dessen ›Barkenhoff‹ sie ihren Mann Jan kennenlernte. Auf ihren Tourneen begegnete sie Kurt Schwitters und Joachim Ringelnatz. Der Philosoph Theodor Lessing stand ihr nah, vom jungen Helmut Schmidt wurde sie verehrt.

Der Film will keine umfassende Biografie erzählen. Stattdessen konzentriert er sich auf entscheidende Phasen in Olgas Leben, in denen sich die Entwicklung von Jahren wie in Knotenpunkten verdichtet und mit dramatischen Einschnitten endet. Olga besaß die Stärke, in Situationen des Zusammenbruchs weiterzuleben und sogar etwas Neues zu beginnen. Wo Höhen, Krisen und Neuanfänge nah beieinanderliegen, spürt der Film dieser Kraft nach.

Olga Bontjes van Beek starb im Februar 1996 in ihrem Elternhaus in Fischerhude bei Bremen, ein halbes Jahr vor ihrem einhundertsten Geburtstag.

Ein langes Leben - Olga Bontjes van Beek
Dokumentarfilm
Beta SP, Farbe, 70:00
Regie: Sara Fruchtmann, Konstanze Radziwill
Produktion: Medienwerkstatt Linden, Fruchtmann-Radziwill GbR
Kamera: Karsten Müller
Ton: Henner Reichel
Schnitt: Brigitte Kirsche
Produktionsleitung: Annette Hoppe
Förderung:
Kulturelle Filmförderung Niedersachsen, Kulturelle Förderung Schleswig-Holsten, Stiftung Niedersachsen, Sparkassenstiftung Verden, Waldemar-Koch-Stiftung Bremen


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Osnabrück-Net Letzte Änderung: Tue Apr 14 17:55:23 MET DST 1998
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