Film & Medienbuero Niedersachsen

· Rundbrief 43 ·
INVENTUR 5: Ein subjektiver Rückblick


Die 5. Inventur in Wolfenbüttel ist, soweit ich die Resonanz auf die gezeigen Filme und die allgemein herrschende Stimmung richtig deute, durchaus als Erfolg anzusehen. Was jedoch nicht darüber hinwegtäuschen darf, daß es Probleme bei der kulturellen Filmförderung des Landes und besonders bei der Filmförderung aus den Mitteln des NDR gibt. Wenn Frau Fertmann, die Fernsehchefin des Landesfunkhauses des NDR in Niedersachsen, sich in ihrer Eröffnungsrede über einige durchaus »professionell« gemachte Produktionen freut, ist das der Punkt, an dem ich hellhörig werde. »Professionell« im Sinne des Fernsehens heißt nämlich sendefähig und somit in das vorhandene Sendeschema passend.

Filmemacher »professionell zu deformieren« (eine sehr passende Bezeichnung, leider nicht von mir) hat sich bereits das Fernsehen zur Aufgabe gemacht, es sollte nicht auch noch zwangsläufig auf die Filmförderung übertragen werden.

Ich gehe jedoch davon aus, daß nicht wenige Filmemacher Fernsehproduktionen machen wollen, auch mit den ästhetischen, strukturellen und inhaltlichen Konsequenzen. Für jene ist die NDR-»Förderung« sicherlich eine gute Einrichtung, weil sie ihnen eher die Chance gibt, ein Projekt zu realisieren, als es der Fall wäre, würden sie direkt beim NDR nachfragen.

Die Diskussion am Sonntag hat jedoch gezeigt, daß die Euphorie, Geld für eine Produktion bekommen zu haben, bei nicht wenigen einer Frustration gewichen ist; spätestens dann, als es darum ging, einen Ansprechpartner beim NDR zu finden - ganz zu schweigen von der Abnahme und dem Vertragsabschluß. Daß Redakteure kein Interesse an ihnen »aufgedrängten« Produktionen haben, ist ja sogar noch verständlich, wenn dieses Desinteresse jedoch mit einer penetranten Arroganz verbunden ist, wird es unerträglich. Was passiert mit den Filmen, die zwar abgenommen worden sind, an denen der NDR jedoch kein Interesse hat - und dennoch auf die exclusiven Ausstrahlungsrechte für sieben Jahre besteht? (Anm. d. R. Wenn der NDR nicht innerhalb zwei Jahren nach Ablieferung des sendefähigen Materials die Senderechte nutzt, fallen die Nutzungsrechte ersatzlos an den Produzenten zurück).

Das gilt noch im verstärkten Maße für Produktionen, die von Anfang an nicht fernsehkonform gedacht worden sind: Kinoproduktionen, experimentelle Filme, Videokunst, interaktive Gestaltung; laut Förderrichtlinien sind solche Projekte von der Förderung nicht ausgeschlossen. Werden auch diese gefördert, um sie anschließend der Öffentlichkeit vorzuenthalten?

Es handelt sich hier immerhin um Produktionen, die mit öffentlichen Geldern finanziert worden sind.

Solange hier keine vernünftige Lösung gefunden worden ist, kann die Förderung aus Mitteln des NDR keine Alternative zur kulturellen Filmförderung des Landes sein, sie kann nicht einmal zur Mitfinanzierung dienen. Um so wichtiger ist, daß die kulturelle Filmförderung des Landes für Produktionen nicht noch weiter anderen Bereichen weichen muß.

Unverständlich ist mir, daß nur 40% des zur Verfügung stehenden Geldes der kulturellen Filmförderung des Landes bei der letzten Gremiumssitzung »verteilt« worden sind. Nach schlechten Erfahrungen im Jahr 1995 war man dazu übergegangen, zu sagen, Geld das bereits ausgegeben worden ist, kann vom Land nicht mehr gekürzt werden. Wenn von den beantragten 2.200.000 nicht einmal 10% gefördert worden sind, stellt sich die Frage, ob es wirklich daran liegt, daß es keine geeigneten Anträge gab, oder ob die Meßlatte dessen, was als förderungswürdig eingestuft wird, nicht vielleicht im Laufe der Zeit etwas zu hoch gerutscht ist. Beides wäre bedenklich: wenn wir Filmemacher dem Land nicht durch massive Antragstellung signalisieren, daß wir auf dieses Geld angewiesen sind, um kulturell interessante Projekte zu realisieren, dann schaufeln wir uns unser eigenes Filmgrab und es wird nicht mehr lange dauern, bis der Förderetat sich dem absoluten Nullpunkt nähert. Wir brauchen wieder mehr Geld im Topf der kulturellen Filmförderung, sonst bleibt »Niedersachsen ein Filmland« absolute Utopie und wird gegebenenfalls zu »Niedersachsen ein Fernsehland«.

Ich hätte bis heute, wäre 1993 die Fördersituation der kulturellen Filmförderung des Landes schon so prekär gewesen wie jetzt, nicht einen Film gefördert bekommen - und um ehrlich zu sein - wahrscheinlich auch nicht realisiert. Ob das ein großer kultureller Verlust gewesen wäre, sei dahingestellt.

Daß die kulturelle Filmförderung, abgesehen davon natürlich, daß es viel zu wenig Geld gibt, nicht das Nonplusultra ist, darf auch nicht ganz verschwiegen werden: Angefangen beim Länderbezug, der bei größeren Projekten zu einem Filmtourismus führt, der in seiner finanziellen Effizienz meistens diametral zum »wirtschaftlichen Einsatz der Mittel« angesiedelt ist. Das ist etwas, wo sich mancher an den Kopf faßt und mehr oder weniger laut über die wirtschaftliche Unsinnigkeit einiger Vorschriften nachdenkt, doch viele Produzenten haben gelernt, damit umzugehen - und es geht ja auch irgendwie. Es ist kein speziell niedersächsisches Problem.

Was mir viel mehr Kopfzerbrechen macht, ist das, was die »kleinen« Produzenten angeht, das leidige Thema der Kosten und Ausgaben. Daß wir, die wir größtenteils Autorenfilme machen, sprich von der ersten Idee, dem Buch, der Produktion und der Regie alles mehr oder weniger selber realisieren und anschließend unsere Filme auch noch selber vertreiben, keinen Pfennig Geld verdienen dürfen, ist haarsträubend und führt dazu, daß man sich sehr schnell auf dem schmalen Grat zwischen Legalität und Illegalität bewegt. Auf welcher Seite, ist von der Kulanz gewisser Stellen abhängig und somit von uns Filmemachern nicht mehr kontrollierbar. Ein auf Dauer sehr unbefriedigender Zustand.

Kosten und Ausgaben sind ein Thema, das in Niedersachsen anderes als in den meisten anderen Bundesländern gehandhabt wird. Die Versicherung, daß es nur Niedersachsen richtig macht, alle anderen ein va banque Spiel betreiben und irgendwann die Rechnung präsentiert bekommen, kann mich überhaupt nicht überzeugen, denn von uns Filmemachern wird es ja verlangt - hier wird die Verantwortung auf die Schwächeren abgeschoben.

Die Novellierung des §44 der LHO (Landeshaushaltsordnung) im letzten Jahr hat zwar sicherlich einige positive Punkte gebracht und einige, über deren Qualität erst die Zeit entscheidet, jedoch hat sie den Bereich Kosten und Ausgaben vollständig ausgeklammert.

Das alles sind wirklich keine neuen Erkenntnisse. Aber je länger ich Filme (mit Unterstützung des Landes!) mache, desto stärker regen mich die Widersprüche innerhalb der kulturellen Filmförderung auf. Einerseits predige ich meinen Studenten und jedem jungen Filmemacher, der es wissen

will, Verträge intensiv zu studieren; Verträge lesen zu lernen, verstehen zu lernen und nicht sofort zu unterschreiben, andererseits müßte ich, wenn ich auf Geld der kulturellen Filmförderung zu sprechen komme, sagen: Augen zu und durch. Und im Prinzip mache ich es auch.

Trotzdem werde ich weiterhin in der Hoffnung, daß es irgendwann einmal zu einer filmemacherfreundlicheren Entscheidung kommt, »rumnörgeln« und außerdem hoffen, daß das Geld der kulturellen Filmförderung des Landes Niedersachsen, das den Filmemachern zugute kommt, wieder auf einen nennenswerten Betrag aufgestockt wird - denn an die kulturelle Filmförderung aus Mittel des NDR glaube ich noch nicht so ganz. (Kirsten Winter)


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Osnabrück-Net Letzte Änderung: Tue Feb 10 22:34:01 MET 1998
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